Konjunktiv und indirekte Rede (1): Wann verwende ich Konjunktiv I und II?

An Konjunktiv und indirekter Rede führt in einer wissenschaftlichen Arbeit kein Weg vorbei. Dieser Artikel zeigt: Das ist gar nicht so kompliziert, wenn man weiß, wie es geht.

Zur Bildung von Konjunktiv I und II

Am Gebrauch von Konjunktiv und indirekter Rede führt in einer wissenschaftlichen Arbeit kein Weg vorbei. Leider – sagen Sie vielleicht. Es gibt jedoch eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist: Es ist nicht so kompliziert, wie es auf den ersten Blick erscheint. Denn vieles davon ist für das Schreiben Ihrer Arbeit gar nicht relevant. Sätze wie: Möge das Fazit bald erreicht sein oder Wenn ich in Statistik besser aufgepasst hätte, könnte ich meine Hypothesen jetzt wunderbar belegen werden in Ihrer Arbeit hoffentlich nicht vorkommen. Im Folgenden beschreibe ich, was Sie zu diesem Thema wissen sollten, wenn Sie gerade eine wissenschaftliche Arbeit – ob Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation – verfassen.

Die schlechte Nachricht ist: An etwas Theorie kommen wir nicht vorbei. Das geht aber kurz und knapp.

Es gibt zwei verschiedene Formen des Konjunktivs:

  • Der Konjunktiv I wird vom Infinitiv abgeleitet (sein → sie sei haben sie habe usw.).
  • Der Konjunktiv II wird vom Präteritum abgeleitet, wobei oft ein Umlaut (ä, ö, ü) dazukommt: sie hatte → sie hätte; er konnte → er könnte usw.

Der Konjunktiv II hat viele ungewohnte Formen: ich hülfe, führe, läse usw. Daher wird er oft mit würde gebildet, zum Beispiel in der Umgangssprache: Ich würde es gern mal probieren, oder im Höflichkeitskontext von Briefen. Hier heißt es üblicherweise: Über eine Antwort würde ich mich freuen – nicht: Über eine Antwort freute ich mich. (Noch besser ist sicherlich eine aktive Formulierung wie: Ich freue mich auf eine Antwort – aber das ist ein anderes Thema.) In wissenschaftlichen Texten sollte nach Möglichkeit auf würde verzichtet werden. Meine Deutschlehrerin sagte (lang, lang ist’s her …), der deutsche Konjunktiv sei würde-los. „sei“ ist übrigens Konjunktiv I und indirekte Rede – und damit sind wir schon mitten im Thema: dem praktischen Gebrauch des Konjunktivs.

Zum Gebrauch der indirekten Rede in einer wissenschaftlichen Arbeit

An der Verwendung der indirekten Rede kommen Sie nicht vorbei. Denn das ist das A und O des wissenschaftlichen Schreibens: Sie müssen genau abgrenzen, was Ihre eigene Ansicht und was die Ansicht anderer Personen ist. Das sollte bei jedem Satz eindeutig erkennbar sein.

Als Grundregel haben Sie vermutlich gelernt: Für die indirekte Rede wird der Konjunktiv I verwendet. Das gilt zum Beispiel in diesem Satz: Marlies Müller sagt: „Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht.“ → Sie sagt, sie habe damit gute Erfahrungen gemacht.

Statt: Sie sagt, sie … können Sie auch sagen: Sie sagt, dass sie … In diesem Fall haben Sie folgende zwei Möglichkeiten:

  • Indikativ: Sie sagt, dass sie damit gute Erfahrungen gemacht hat. In diesem Fall gehen Sie davon aus, dass Müller damit wirklich gute Erfahrungen gemacht hat.
  • Konjunktiv I: Sie sagt, dass sie damit gute Erfahrungen gemacht habe. In diesem Fall lassen Sie offen, ob Müller damit wirklich gute Erfahrungen gemacht hat oder nicht. Sie drücken also eine gewisse Distanz zu Müllers Aussage aus.

In der Praxis wird der Indikativ bei dass-Sätzen häufiger verwendet als der Konjunktiv. Gerade bei Verben wie klarstellen, nachweisen oder verdeutlichen passt eigentlich nur der Indikativ: Er weist nach, dass die Erde rund ist. Hier ist kein Zweifel – und damit kein Konjunktiv – angebracht.

Ein solcher Satz ist jedoch kaum noch als indirekte Rede aufzufassen. Denn diese ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass Sie im Hauptsatz ein Verb wie meinen, glauben oder darstellen verwenden und im Nebensatz die Ansicht der jeweiligen Person wiedergeben. Durch Verwendung des Konjunktivs I in der indirekten Rede können Sie (müssen es aber nicht) Ihre Distanz zum Wiedergegebenen verdeutlichen (vgl. dazu Gesellschaft für deutsche Sprache e. V., Indirekte Rede).

Auch in Ihrer wissenschaftlichen Arbeit können Sie bei dass-Sätzen durchaus den Indikativ verwenden, es sei denn, Sie zweifeln am Wahrheitsgehalt oder möchten die Aussage ausdrücklich als subjektive Ansicht der anderen Person kennzeichnen, zum Beispiel: Sie führte aus, dass dies ein schwieriges Problem sei.

Sicherlich kommen nach dem Satz Müller sagt, dass sie damit gute Erfahrungen gemacht hat noch weitere Sätze. Wie verhält es sich hier mit Konjunktiv I und Indikativ? Hier gibt es zwei Möglichkeiten:

(1) Entweder wird weiterhin die Meinung von Marlies Müller beschrieben. Dann verwenden Sie wieder Konjunktiv I: Denn diese Methode habe sich als sehr sinnvoll erwiesen. So sei es leicht, die Kinder zum Mitmachen zu motivieren. Bei gängigen Methoden hingegen könne es zu Langeweile kommen (das alles ist Müllers Ansicht).

(2) Oder aber Sie beschreiben danach Ihre eigene Ansicht. Dann verwenden Sie Indikativ: Müller sagt, dass sie damit gute Erfahrungen gemacht habe. Dies kann man auch anders sehen. Hier verdeutlicht der Indikativ kann, dass dies Ihre eigene Meinung ist. Alternativ könnten Sie auch noch verdeutlichende Begriffe oder Formulierungen wählen wie: Dies kann man hingegen auch anders sehen. oder: Meiner Ansicht nach kann man dies auch anders sehen.

Der inhaltliche Unterschied zwischen Konjunktiv I und Konjunktiv II

Sie können also schreiben: Sie sagt, sie habe damit gute Erfahrungen gemacht (Konjunktiv I). In der Praxis wird jedoch statt habe oft hätte verwendet: Sie sagt, sie hätte damit gute Erfahrungen gemacht (Konjunktiv II). Dieser Satz besagt inhaltlich nun aber etwas anderes: nämlich dass sie damit noch keine Erfahrungen gemacht hat, weder gute noch schlechte.

Marlies Müller hätte gute Erfahrungen gemacht, wenn noch etwas anderes der Fall gewesen wäre: wenn sie zum Beispiel mehr Zeit gehabt hätte, sich damit zu befassen. Der Konjunktiv II wird auch als Irrealis bezeichnet: Er wird in der Regel für irreale, hypothetische, nicht real vorliegende Gegebenheiten verwendet.

Formen wie hätte, könnte, würde (Konjunktiv II) verweisen hier also auf Optionen, die nur theoretisch bestehen: Ich würde mich gern damit befassen, wenn ich nur Zeit hätte. – Es könnte alles so einfach sein. Aktuell habe ich aber keine Zeit, und es ist alles nicht so einfach.

Die Tücken von Konjunktiv I und II

Leider ist es im Deutschen oft wirklich nicht so einfach. Wie erwähnt hat der Konjunktiv II manchmal ungewöhnliche Formen (läse, läge, löge). In diesem Fall kann man auf würde + Infinitiv ausweichen. Wenn die deutsche Sprache einfacher wäre, dann gewönne man viel – oder würde viel gewinnen. In der gesprochenen Sprache kommen würde-Konstruktionen oft vor. In wissenschaftlichen Texten wird hingegen Konjunktiv II tendenziell häufiger verwendet.

Der Konjunktiv II wird nicht nur dann angewandt, wenn etwas Irreales ausgesagt werden soll, sondern auch, wenn etwas anderes gegeben ist. Greifen wir den Satz von oben auf (Müller sagt, sie habe damit gute Erfahrungen gemacht) und nehmen wir neben Marlies Müller nun noch Miriam Meier dazu, dann heißt es: Die Autorinnen sagen, sie haben damit gute Erfahrungen gemacht. Hier ist die Form der indirekten Rede (sie haben) nicht vom Indikativ des Aussagesatzes (wir haben) zu unterscheiden. In einem solchen Fall sollten Sie auf den Konjunktiv II ausweichen, um deutlich zu machen, dass Sie die Ansicht der beiden Autorinnen wiedergeben, nicht Ihre eigene. Dann heißt es: Die Autorinnen sagen, sie hätten damit gute Erfahrungen gemacht.

Leider wird nun auch nicht mehr klar, ob die Autorinnen damit tatsächlich gute Erfahrungen gemacht haben oder ob sie diese nur gemacht hätten, wenn noch etwas anderes der Fall gewesen wäre. Dies können Sie nur durch weitere Beschreibungen verdeutlichen: Sie sagen, sie hätten damit erneut gute Erfahrungen gemacht. – Sie sagen, sie hätten damit vermutlich gute Erfahrungen gemacht, wenn die Teilnehmenden besser mitgemacht hätten.

Gern überprüfe ich im Rahmen des Wissenschaftslektorats den richtigen Gebrauch von Konjunktiv und indirekter Rede.

© Dr. Anette Nagel. Artikel zuletzt bearbeitet im Mai 2025.

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