Konjunktiv und indirekte Rede (2): Wie kann ich auf den Konjunktiv verzichten?

Der Konjunktiv hat in wissenschaftlichen Texten seinen festen Platz. Denn nur mithilfe des Konjunktivs lässt sich verdeutlichen, wo die eigene Ansicht aufhört und die einer anderen Person anfängt. Der Konjunktiv hat jedoch seine Tücken – und an einigen Stellen im Text hat er nichts zu suchen. Welche das sind, beschreibe ich in diesem Beitrag.

In Blogbeiträgen zum Thema Konjunktiv wird in der Regel beschrieben, wann dieser verwendet werden sollte. Seltener geht es darum, wann er nicht verwendet werden sollte. Das ist aber ebenso wichtig, wie ich finde. Denn meiner Beobachtung nach wird der Konjunktiv manchmal eher zu häufig als zu selten verwendet. Mit dieser Beobachtung stehe ich nicht alleine da: So erzählte mir beispielsweise eine Kundin, dass ihr Betreuer sagte, sie solle den Konjunktiv in ihrer Bachelorarbeit nicht zu häufig verwenden. Und wäre es nicht wunderbar, wenn man sich nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen müsste, ob Formulierungen wie „Die Darstellung gewönne an Plausibilität“ oder „Der Autor sei anderer Meinung“ richtig sind?

An folgenden Stellen kann auf den Konjunktiv verzichtet werden:

1. Indikativ bei Sätzen mit laut … zufolge … gemäß … nach

Bei Sätzen mit dass können Sie in der Regel auf den Konjunktiv verzichten (das habe ich im ersten Beitrag zum Konjunktiv gezeigt): Sie stellt dar, dass es sich hierbei um eine wichtige Regel handelt. Das gilt auch für Sätze, die nur aus einem Hauptsatz bestehen, zum Beispiel: Laut Müller gibt es verschiedene Methoden.

Ein Satz, der mit Laut Müller … oder Meier zufolge … beginnt, ist übrigens auch deshalb empfehlenswert, weil damit eine wichtige Grundregel des wissenschaftlichen Schreibens erfüllt wird: Hauptsachen gehören in Hauptsätze. Hauptsätze, die mit Müller sagt … oder Meier verdeutlicht … beginnen, sind inhaltlich relativ belanglos, weil das inhaltlich Wichtige – nämlich das, was Müller oder Meier sagen – im Nebensatz steht. Besser sind daher Sätze wie: Müller zufolge … oder: Nach Meier ist das so.

2. Einleitender Satz

Wenn Sie über längere Strecken die Ansicht eines Autors oder einer Autorin wiedergeben, können Sie durch einen einleitenden Satz verdeutlichen, dass im Folgenden dessen bzw. deren Meinung wiedergegeben wird: Meier sieht dies folgendermaßen: Das und das ist so. Außerdem ist das so. Und auch das ist so. In diesen Fällen verwenden Sie den Indikativ.

Um im weiteren Verlauf deutlich zu machen, dass immer noch Meiers Ansicht vorgetragen wird, können Sie gelegentlich Wendungen einstreuen wie: … so Meier weiter

Auch folgende einleitende Sätze sind möglich: Schulze beschreibt dies wie folgt: … – Im Folgenden gebe ich Müllers Ansicht wieder: … – Dreyer sieht hier Folgendes gegeben: … usw.

3. Quellenangabe in Klammern oder in einer Fußnote

Dies ist eine relativ einfache Möglichkeit, den Konjunktiv zu umgehen, aber dennoch zu verdeutlichen, dass es sich nicht um Ihre eigene Ansicht handelt: Sie verzichten im Haupttext auf die Nennung des Autors und fügen stattdessen in Klammern oder in einer Fußnote einen Verweis auf den Autor bzw. die jeweilige Quelle an: Dies und das ist so (vgl. Meier).

Hier sollten Sie darauf achten, dass für die Lesenden immer deutlich wird, was nun Meiers Ansicht ist und was nicht. Denn nicht jeder Satz sollte mit einer Quellenangabe enden; das würde gerade bei kurzen Sätzen den Lesefluss zu stark unterbrechen. Sinnvoll sind hier ergänzende Begriffe und Formulierungen. Wenn eine andere Meinung dargestellt wird, können Sie zum Beispiel schreiben: Nach einer anderen Ansicht ist … Oder Sie beginnen dann jeweils mit einem neuen Absatz und setzen den Quellenverweis ans Ende dieses Absatzes.

Diese Möglichkeit ist auch deshalb oft gut geeignet, weil dann die inhaltlichen Ausführungen im Vordergrund stehen und nicht die Ansichten der jeweiligen Autor:innen. Letzteres könnte nämlich – stark vereinfacht – so klingen:

Müller führt aus, dass A der Fall ist. Meier hingegen sagt, dass gelegentlich B der Fall ist. Schulze wendet ein, dass neuerdings C der Fall ist.

Viel aussagekräftiger und inhaltlich fokussierter ist eine solche Beschreibung:

Hier ist A der Fall (vgl. Müller). Gelegentlich ist auch B der Fall (vgl. Meier). Neuerdings ist öfters C der Fall (vgl. Schulze).

Das heißt natürlich nicht, dass Sie nur noch in der Form „A ist der Fall“ schreiben sollten. Vielmehr ist immer der Kontext zu berücksichtigen: Bei einer recht allgemeinen Aussage kann der Autor oder die Autorin ruhig in den Hintergrund treten; es reicht, wenn der Quellenverweis in Klammern oder in einer Fußnote steht. Also nicht: Schulze führt aus, dass ADHS bei Kindern heute häufiger vorkommt als früher, sondern: Die Fallzahlen von ADHS bei Kindern sind in den letzten Jahren stetig gestiegen (vgl. Schulze). Denn das ist nicht nur Schulzes Meinung, sondern ein allgemein bekannter und belegter Sachverhalt.

Wenn eine Aussage jedoch sehr spezifisch ist und in der Forschung noch nicht belegt wurde, sollte dies im Hauptsatz ausgedrückt werden. Also eher nicht: Bei ADHS ist der Dopaminhaushalt gestört (vgl. Schulze), sondern: Laut Schulze ist bei ADHS der Dopaminhaushalt gestört. oder: Neuere Forschungen weisen darauf hin, dass bei ADHS der Dopaminhaushalt gestört ist (vgl. Schulze).

Tipps aus dem Lektorat

Im Rahmen des Korrekturlesens einer Bachelor-, Masterarbeit oder Dissertation achte ich darauf, ob die Formen von Konjunktiv I und II richtig gebildet sind. Bei einem Basislektorat prüfe ich zudem, ob die verwendeten Formen im jeweiligen Kontext sprachlich und inhaltlich schlüssig sind. Einen Satz wie: Laut Müller sei das so. ändere ich dann zu: Laut Müller ist das so.

Schwierig wird es für mich, wenn nicht deutlich wird, wessen Meinung vorgetragen wird. Wie ist dies zum Beispiel in folgenden Sätzen aus wissenschaftlichen Arbeiten? (vereinfachte Beispiele)

  • In einer Masterarbeit schreibt die Verfasserin: Erst wird dies geprüft, dann das. Wenn beides zutrifft, sei davon auszugehen, dass … Da an dieser Stelle weder ein Autor noch eine Quelle genannt wird, gehe ich hier davon aus, dass nun die Meinung der Verfasserin dargestellt wird. Dafür wird aber kein Konjunktiv verwendet. An dieser Stelle habe ich der Verfasserin vorgeschlagen, den Satz zu ändern in: … ist davon auszugehen, dass
  • In einer Hausarbeit lese ich: Es werde davon ausgegangen, dass dies so sei. Auch hier stellt sich die Frage: Wer geht davon aus? Wenn die Verfasserin davon ausgeht, könnte es heißen: Im Folgenden gehe ich davon aus, dass dies so ist. oder: Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass dies so ist.
  • In einer Bachelorarbeit heißt es: Hartmann führt aus, „dies sei schwierig“. Für mich ist das auch schwierig, nämlich zu erkennen, wie der Satz gemeint ist. Denn in einem wörtlichen Zitat gilt immer der Wortlaut des Originals; also gehe ich davon aus, dass in dieser Quelle tatsächlich Konjunktiv I steht (sei). Wessen Meinung gibt Hartmann aber hier wieder? Ich vermute eher, dass die Verfasserin der Bachelorarbeit ausdrücken möchte, dass Hartmann der Ansicht ist, dass dies schwierig sei. Es kann daher nur heißen: Hartmann führt aus, dass dies schwierig sei. oder: Hartmann führt aus: „Dies ist schwierig.“ (Ob dies so im Original steht, weiß ich nicht, weil mir das Original in der Regel nicht vorliegt. Daher habe ich dies auch nur vorgeschlagen, aber noch nicht direkt im Text geändert.)

Formulierungsbeispiele mit und ohne Konjunktiv

Forschungsergebnisse aus der Literatur können Sie wie folgt wiedergeben – mit oder ohne Konjunktiv (wobei in der Praxis meist eine Mischform vorliegen wird):

Mit Konjunktiv (fiktiver Text zum Thema tiergestützte Pädagogik):

Huber führt aus, die Kinder seien bei Anwesenheit eines Hundes im Unterricht entspannt und konzentriert gewesen. In den Pausen hätten die Hunde die Kinder aktiv zur Bewegung aufgefordert. Besonders der Pudel Paula habe sich hier hervorgetan, was von den Kindern freudig aufgenommen worden sei. Dreyer hingegen berichtet, seine Studie habe zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt: So sei deutlich geworden, dass nicht alle Kinder von der Anwesenheit eines Hundes im Unterricht profitieren konnten. Der Einsatz von Schulbegleithunden müsse daher individuell auf die Zusammensetzung der Klasse abgestimmt werden.

Ohne Konjunktiv:

Huber fasst die Ergebnisse seiner Studie wie folgt zusammen: Bei Anwesenheit eines Hundes im Unterricht waren viele Kinder entspannt und konzentriert. In den Pausen forderten die Hunde die Kinder aktiv zur Bewegung auf. Besonders der Pudel Paula tat sich hier hervor, was von den Kindern freudig aufgenommen wurde. Dreyer hingegen berichtet, dass seine Studie zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hat: So konnten nicht alle Kinder von der Anwesenheit eines Hundes im Unterricht profitieren; daher muss der Einsatz von Schulbegleithunden individuell auf die Zusammensetzung der Klasse abgestimmt werden.

Gern überprüfe ich im Rahmen des Wissenschaftslektorats den richtigen Gebrauch von Konjunktiv und indirekter Rede in Ihrer Masterarbeit oder Dissertation.

© Dr. Anette Nagel. Artikel zuletzt bearbeitet im Mai 2025.

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