An den/die Leser*in? Die geschlechtsneutrale Schreibweise

Schüler und Schülerinnen, SchülerInnen, Schüler/‑innen oder SuS? Muss ich überhaupt gendern – und wenn ja, wie? Hier gebe ich einen Überblick und berichte aus meiner Lektoratspraxis, wie ich mit diesem Thema umgehe. Gendern – muss das (immer noch) sein? Diese Frage stellt sich fast bei einem Blick auf die Diskussionen zum geschlechtergerechten Schreiben der letzten […]

Schüler und Schülerinnen, SchülerInnen, Schüler/‑innen oder SuS? Muss ich überhaupt gendern – und wenn ja, wie? Hier gebe ich einen Überblick und berichte aus meiner Lektoratspraxis, wie ich mit diesem Thema umgehe.

Gendern – muss das (immer noch) sein? Diese Frage stellt sich fast bei einem Blick auf die Diskussionen zum geschlechtergerechten Schreiben der letzten Jahre. Das Thema scheint in vielen Medien und in der öffentlichen Diskussion im Frühjahr 2025 seinen Zenit bereits überschritten zu haben. In der Praxis wird meines Erachtens nicht mehr so streng gegendert wie noch vor einigen Jahren, und die Diskussionen über das Pro und Contra haben an Schärfe verloren. Zu diesem – sicherlich auch subjektiven – Eindruck tragen verschiedene Punkte bei:

  • In einigen Bundesländern wird über ein Verbot des Genderns mit Sonderzeichen diskutiert, in Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg gibt es bereits spezielle Vorschriften dazu. Diese Regelungen bedeuten jedoch kein Genderverbot, wie es in den Medien manchmal verkürzt wiedergegeben wird. Es geht lediglich darum, dass Sonderzeichen wie das Sternchen in Student*innen nicht erlaubt sind. Nach wie vor darf aber die Rede von Mitarbeitenden oder Patientinnen und Patienten sein – und für die private Korrespondenz gibt es ohnehin keine verbindlichen Regeln.
  • Die Datenlage ist nach wie vor ungenügend: Empirische Studien zeigen zwar, dass das generische Maskulinum eine gedankliche Überrepräsentation männlicher Personen erzeugt. Diese Studien werden aber wegen der verwendeten Methodik zum Teil in Frage gestellt.
  • Angesichts der immer noch unzureichenden Datenlage, aber der Vehemenz, mit der zeitweise um das Pro und Contra des Genderns gestritten wird (oder wurde), drängt sich der Eindruck auf, dass mittlerweile hinter dem Gendern mehr steckt als nur das Anliegen, alle Geschlechter gleichberechtigt zu bezeichnen. Nach Philipp Hübl (Universität Stuttgart) ist Gendern „das Latein der neuen Eliten“, „ein Erkennungszeichen der akademischen Eliten. Damit macht man die Welt nicht gerechter, aber man zeigt, dass man zur richtigen Gruppe gehört.“

„Hat es sich bald ausgegendert?“, fragt ein Artikel des Spiegel vom Juli 2024. Ich würde es positiv formulieren: Der Umgang mit dem Gendern ist entspannter geworden. Das darf – und sollte – auch für den Umgang damit in wissenschaftlichen Texten wie Masterarbeiten oder Dissertationen gelten.

Gendern im Hochschulkontext

An Universitäten und Hochschulen wird das Thema Gendern sicher auch in Zukunft von Bedeutung sein. Das geschlechtergerechte Schreiben wurde schließlich im Wissenschaftskontext entwickelt; an Hochschulen wurden die Studien durchgeführt, die die Plausibilität des Genderns aufzeigen sollten. Daher sind Hochschulen und Universitäten auch die Orte, an denen die Ergebnisse solcher Studien in die Praxis umgesetzt werden sollten: gendergerecht zu schreiben, um niemanden auszuschließen.

Eine Pflicht zum Gendern an deutschen Unis gab und gibt es auf Landes- und Bundesebene jedoch nicht. Viele Hochschulen haben aber Richtlinien oder Leitfäden zum Umgang mit gendergerechten Schreibweisen erstellt. Und es gibt – so meine Beobachtung – kaum eine Bachelor- oder Masterthesis, in der nicht gegendert oder zumindest zu diesem Thema Stellung genommen wird. Daher sollten Sie selbst einschätzen, ob Sie in Ihrer Arbeit gendern – und es im Zweifelsfall tun.

Welche Instanz regelt die Schreibweisen?

Gibt es eigentlich eine Instanz, die regelt, wie im beruflichen oder universitären Umfeld geschrieben werden soll?

Zuständig für die Festlegung der amtlichen Regeln für Rechtschreibung – und damit die zentrale Instanz für solche Fragen – ist der 2004 gegründete Rat für deutsche Rechtschreibung, kurz der Rechtschreibrat. Das amtliche Regelwerk in der aktuellen Fassung von 2024 mit seinem Wörterverzeichnis ist online verfügbar.

Der Rechtschreibrat hat auch zur geschlechtergerechten Schreibung Stellung bezogen. In einer Mitteilung vom 15.12.2023 beschreibt er die Anforderungen an geschlechtergerechte Texte: Sie sollten unter anderem verständlich, lesbar und vorlesbar sein. Gender-Sonderzeichen wie Sternchen, Gap oder Doppelpunkt sieht der Rechtschreibrat kritisch, denn sie „gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthographie“ und können zu grammatischen Folgeproblemen führen, die noch nicht geklärt sind (zum Beispiel der*die Präsident*in).

Die Dudenredaktion setzt diese Regeln um, ordnet sie ein und veröffentlicht sie. Zugleich beobachtet sie die Entwicklung der deutschen Sprache und nimmt regelmäßig neue Wörter in das Wörterbuch auf. Dabei trifft sie teilweise Entscheidungen, die über die Empfehlungen des Rechtschreibrates hinausgehen: So wurde beispielsweise 2021 das generische Maskulinum auf den Prüfstand gestellt. Begriffe wie Nachbar oder Professor sind im Online-Duden nun explizit männlichen Personen zugewiesen; für weibliche Personen wurden neue Einträge angelegt. Doch gibt es nicht nur Einträge für Nachbarin und Professorin, sondern auch für Gästin und Bösewichtin. Dies hat hitzige Diskussionen ausgelöst. Verbindlich ist die Verwendung dieser Begriffe aber nicht, weil der Duden eben keine Regeln vorgeben kann und darf. Ich selbst orientiere mich am Duden, wenn es um die Vereinheitlichung von Schreibweisen im Rahmen eines Korrekturlesens oder Lektorats geht.

Eine Hilfestellung für die eigene Arbeit – in Form von konkreten Vorgaben oder zumindest Vorschlägen – lässt sich hier also nicht finden. Das kann auch positiv gesehen werden: Ein Richtig oder Falsch gibt es nicht. Vielmehr haben Sie die (Qual der) Wahl.

Zum Umgang mit dem Gendern heute

Wie sollte denn nun in einer Bachelor- oder Masterarbeit gegendert werden? Mein Rat: Informieren Sie sich, ob es an Ihrer Hochschule oder Uni Vorgaben oder Empfehlungen zum gendergerechten Schreiben gibt. Daran sollten Sie sich orientieren.

Ansonsten fragen Sie nach, zum Beispiel bei einer Dozentin oder dem Fachbereichsleiter: Gibt es am Institut bestimmte Regeln, Standards oder Empfehlungen? Vielleicht hat auch ein Kommilitone oder eine Absolventin einen Tipp?

Wenn Sie dies nicht weiterbringt, können Sie die Form wählen, die Ihnen am meisten zusagt oder die aktuell allgemein gängig ist. Im Folgenden stelle ich die gängigsten Formen vor, so wie sie im wissenschaftlichen Kontext angewandt werden. Anschließend schlage ich Ihnen eine Möglichkeit vor, mit der Sie nichts falsch machen können.

Möglichkeiten des geschlechtergerechten Schreibens (in Anlehnung an die GfdS)

(1) Vollständige Paarform: die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

Diese vollständige Form wird gerade in Anreden oft gewählt (liebe Zuhörerinnen und Zuhörer). Irritierend ist, dass sie oft nicht konsequent angewandt wird: So liest man zwar von Bürgerinnen und Bürgern, kaum aber von Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterziehern.

Vorteile:

  • Diese Form ist in der Praxis weit verbreitet und allgemein akzeptiert.
  • Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) empfiehlt sie uneingeschränkt. (Die GfdS ist ein politisch unabhängiger Verein zur Pflege der deutschen Sprache und berät zum Beispiel den Bundestag.)

Nachteile:

  • Mit dieser Schreibweise wird ein Text recht lang und teilweise umständlich: der oder die Vorsitzende und sein oder ihr Vertreter oder Vertreterin.
  • Es werden zwar männliche und weibliche Personen benannt. Die Option „divers“ ist aber nicht gegeben.

Fazit: Diese Form des Genderns ist meines Erachtens nicht optimal geeignet für wissenschaftliche Texte.

(2) Kurzformen
(2a) mit Schrägstrich: die Mitarbeiter/-innen oder die Mitarbeiter/innen

Diese Form kommt in zwei Varianten vor: mit und ohne Bindestrich nach dem Schrägstrich. In der Praxis kommt die Schreibweise ohne Bindestrich häufig zur Anwendung.

Vorteil:

  • Die GfdS und der Duden empfehlen die Verwendung des Schrägstrichs (mit anschließendem Bindestrich) als sinnvolle Möglichkeit, um möglichst sprachökonomisch zu schreiben. Bei der Variante mit Bindestrich handelt es sich um eine der wenigen dudenkonformen Genderschreibweisen.

    Nachteile:

    • Laut GfdS ist es wichtig, dass bei „Weglassen des Schrägstrichs ein grammatisch korrektes und lesbares Wort entsteht“. Dies ist oft nicht der Fall, zum Beispiel bei Ärzte/‑innen. Wenn stattdessen auf Ärzt/innen ausgewichen wird, ist die männliche Form Ärzte im Wort nicht abgebildet.
    • Das Lesen und Aussprechen wird schwierig, wenn ein Artikel hinzugefügt wird (ein/-e Mitarbeiter/-in, der/die Mitarbeiter/-in).
    • Die Schrägstrichform ist nicht für eine angemessene Repräsentation aller Geschlechter geeignet ist, da der Schrägstrich keine Option „divers“ anbietet.

    Fazit: Die Schrägstrichform ist aus den genannten Gründen heute selten geworden. Für wissenschaftliche Arbeiten kann ich sie nicht empfehlen. Dies gilt analog für die Klammerform: die Mitarbeiter(innen), auf die ich hier nicht näher eingehe.

    (2b) Großes Binnen-I: die MitarbeiterInnen

    Vorteile:

    • Diese Form war in den 1980er Jahren, also zu Beginn des gendergerechten Schreibens, relativ weit verbreitet.

    Nachteile:

    • GfdS und Duden lehnen diese Form ab, da der große Binnenbuchstabe nicht den geltenden Rechtschreibregeln entspricht.
    • Diese Form kann nicht angewandt werden kann, wenn ein Wort in Versalien geschrieben wird (AUTORINNEN).
    • Es entstehen oft fehlerhafte Formen; so ist im Wort PsychologIn die männliche Form Psychologe nicht abgedeckt.
    • Im Singular wird oft von der weiblichen Form ausgegangen: die MitarbeiterIn und ihre Bücher. Dies kann als tendenzielle Bevorzugung weiblicher Personen gesehen.
    • Mit dieser Schreibweise werden männliche und weibliche, nicht aber nonbinäre Personen bezeichnet.

    Fazit: In wissenschaftlichen Texten taucht die Schreibweise mit dem großen Binnen-I heute kaum noch auf. Sie gilt vielfach als veraltet. Daher rate ich für eine Abschlussarbeit auch davon ab.

    (2c) Gender-Gap (ab 2003): die Mitarbeiter_innen
    (2d) Gender-Sternchen (ab 2009): die Mitarbeiter*innen
    (2e) Gender-Doppelpunkt (ab 2015): die Mitarbeiter:innen

    Die Gender-Zeichen wurden im Zuge der Diskussion um Diversität und um Sichtbarmachung aller Geschlechter entwickelt. Unterstrich (Gap), Sternchen und Doppelpunkt sollen stellvertretend für die Vielfalt der Geschlechter stehen. Diese Formen lösen die Schreibweisen mit Schrägstrich oder großem Binnen-I, die nur männliche und weibliche Personen bezeichnen, ab.

    Vorteil:

    • Diese Formen sind heute gerade in wissenschaftlichen Texten weit verbreitet und daher weithin akzeptiert.

    Nachteile:

    • Von der GfdS werden Gender-Gap und Gender-Sternchen nicht empfohlen, da diese Zeichen nicht Bestandteil der deutschen Rechtschreibung sind.
    • Die GfdS weist darauf hin, dass Formulierungen wie ein*e gute*r Mitarbeiter*in oder die Mitarbeiter*in in ihrer Firma als Ausdruck eines generischen Femininums angesehen werden könnten. Die männliche Form ist hier kaum noch sichtbar. Damit eröffnen sich die gleichen Vorbehalte wie beim generischen Maskulinum (ein guter Mitarbeiter).

    Fazit: In der universitären Praxis kommen diese Gender-Zeichen mittlerweile recht häufig vor. Für einen wissenschaftlichen Text sind sie meines Erachtens daher – trotz der genannten Nachteile – gut geeignet.

    (3) Neutralisierung
    (3a) Substantiviertes Partizip Präsens: die Mitarbeitenden

    Vorteil:

    • Die Partizipialform ist heute in der gesprochenen und geschriebenen Sprache weit verbreitet.

    Nachteile:

    • Eine Studentin kann in ihrer Freizeit Klavier spielen. Sie kann jedoch als Studierende streng genommen nicht gleichzeitig auch eine Klavierspielende sein – denn dann müsste sie beides gleichzeitig machen: studieren und Klavier spielen.
    • Die Partizipialformen sind nur im Plural geschlechtsneutral (die Studierenden). In Texten ist aber oft von einem Studierenden die Rede, also einer männlichen Person (und so gut wie nie von einer Studierenden). Für den Singular sind diese Formen daher nicht geeignet, was ihre Verwendung einschränkt.

    Fazit: Eine Partizipialform gibt Auskunft über die gerade ausgeübte Tätigkeit. Dies wird in der Praxis häufig als Kritik an dieser Form des Genderns benannt. Laut GfdS können aber Begriffe wie die Vorsitzenden, die Überlebenden oder die Studierenden verwendet werden, ohne dass sich die Interpretation einer gerade ablaufenden Handlung aufdrängt. Daher lässt sich das Gendern mit Partizipien dieser Ansicht zufolge nicht pauschal als falsch bezeichnen. Meines Erachtens ist dies daher – mit Augenmaß eingesetzt – eine sinnvolle Möglichkeit des Genderns.

    (3b) Neutrale Begriffe: Führungskraft, Person, Mitglied

    Diese Form des Genderns ist allgemein akzeptiert, da keine neuen Begriffe oder Schreibweisen entstehen. Jedoch lassen sich nicht alle Personenbezeichnungen damit erfassen.

    Vorteil:

    • Diese Form des Genderns ist allgemein akzeptiert, da keine neuen Begriffe oder Schreibweisen entstehen.

    Nachteil:

    • Mit dieser Form lassen sich nicht alle Personenbezeichnungen erfassen.

    Fazit: Als Ergänzung zu anderen Genderschreibweisen ist die Verwendung neutraler Begriffe gut geeignet.

    (3c) Umformulierung: alle, die mitarbeiten

    Vorteil:

    • Die Umformulierung ist weithin anerkannt.

    Nachteil:

    • Diese Form des Genderns erfordert ein gewisses Maß an Kreativität und ist nicht für alle Personenbezeichnungen geeignet.

    Fazit: Als Ergänzung zu weiteren Genderschreibweisen ist diese Methode gut geeignet.

    (4) Weitere Möglichkeiten
    (4a) Männliche Schreibweise mit Inklusionsverweis

    Früher weit verbreitet, heute seltener: eine Fußnote, in der darauf hingewiesen wird, dass im vorliegenden Text aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet wird, die sich aber auf Personen beiderlei [oder: jeden] Geschlechts bezieht.

    Vorteil:

    • Eine solche Fußnote ist äußerst praktisch: Einmal die Fußnote eingefügt, reicht es, von Patienten, Kunden oder Autoren zu schreiben. Das spart Platz und verhindert unnötiges Kopfzerbrechen über mögliche Formen des Genderns.

    Nachteil:

    • Der Hinweis, dass mit der männlichen Form alle Geschlechter gemeint sind, kann beim Lesen schnell übersehen werden. An vielen Hochschulen wird die Methode mit Genderhinweis daher kritisch gesehen.

    Fazit: Diese Möglichkeit kann ich heute nicht mehr empfehlen.

    (4b) Generalisierendes Femininum

    Sehr selten wird die weibliche Form generalisierend verwendet. Der Begriff Mitarbeiterinnen umfasst demnach auch männliche Personen.

    Vorteil:

    • Das ist beim ersten Lesen irritierend; nach einer Weile wird aber (meist) die dahinterliegende Intention deutlich. Dies scheint daher eine interessante, kreative Form des Genderns zu sein.

    Nachteil:

    • Problematisch fand ich dieses Vorgehen bei einer Dissertation, die ich lektorierte, in der es um Richterinnen und Beamtinnen im alten Griechenland ging – und ich mich fragte, ob es damals wirklich Frauen unter diesen Personengruppen gegeben hatte. Die Möglichkeit, explizit und ausschließlich Frauen zu bezeichnen, sollte erhalten bleiben. Das ist sie meines Erachtens nicht, wenn …innen für beide Geschlechter gelten soll.

    Fazit: Ich empfinde diese Form als ungewöhnlich, irritierend sowie inhaltlich ungenau. Daher rate ich davon ab.

    (4c) Abwechselnd männliche und weibliche Formen

    Eine weitere Möglichkeit besteht darin, wechselnd männliche und weibliche Formen zu verwenden: So schreiben Sie mal von Mitarbeiterinnen, mal von Mitarbeitern, mal von Kunden, mal von Kundinnen usw. Dabei werden immer (!) männliche und weibliche Personen bezeichnet.

    Vorteil:

    • Die Absicht, mit einem Begriff sowohl männliche als auch weibliche Personen explizit zu bezeichnen, wird beim Lesen vermutlich schnell deutlich. Dann liest sich der Text sehr angenehm: kurz und knapp sowie ohne Sonderzeichen wie Sternchen, die den Lesefluss unterbrechen oder das ungeübte Auge irritieren könnten.

    Nachteile:

    • Diese Form des Genderns ist nur wenig verbreitet und deshalb gewöhnungsbedürftig.
    • Es lässt sich kaum deutlich machen, wenn im konkreten Kontext einmal wirklich eine weibliche oder männliche Person gemeint ist.
    • Trotz der willkürlichen Verwendung weiblicher und männlicher Personenbezeichnungen können irritierende Formulierungen entstehen. Das fiel mir beim Korrekturlesen einer Masterarbeit auf, in der es hieß, dass das Unternehmen zur Reduzierung der Unfallquote im Fuhrpark plane, die Fahrerinnen extra zu schulen. Dass hier ebenso Männer eine Schulung erhalten sollen, erschließt sich nicht auf den ersten Blick.

    Fazit: Von einer Verwendung in einer wissenschaftlichen Arbeit rate ich ab.

    Meine Empfehlungen zum Gendern

    Es gibt keine Vorgaben zum Gendern an  Ihrem Fachbereich oder Ihrer Institution? Sie haben also freie Hand? Dann können (oder müssen) Sie selbst entscheiden, wie Sie mit diesem Thema beim Verfassen Ihres wissenschaftlichen Textes umgehen möchten.

    Auf den ersten Blick eröffnet das eine große Freiheit. Auf den zweiten Blick stellt sich aber die Frage: Was tun? Es gibt eben keine Form des gendergerechten Schreibens, die nur Vorteile aufweist und daher uneingeschränkt zu empfehlen ist: Bei der vollständigen Paarform wird der Text oft lang und umständlich zu lesen. Kurzformen zeigen ihre Tücken in der Verwendung im Singular oder bei Verwendung eines Artikels oder Adjektivs. Neutrale Formen lassen sich nur in wenigen Fällen verwenden. Und die weiteren Möglichkeiten zwingen oft zu großer Kreativität, die eigentlich in die inhaltliche Bearbeitung des Themas gesteckt werden sollte.

    Im Folgenden beschreibe ich Möglichkeiten, in einem Text zu gendern. Meine Vorschläge orientieren sich daran, wie aktuell (2025) in vielen Sach- und Fachbüchern gegendert wird und wie eine gute Lesbarkeit und Verständlichkeit des Textes sichergestellt werden kann. Ein Richtig oder Falsch gibt es hier nicht. Lassen Sie sich vom Folgenden inspirieren.

    • Für Personengruppen verwenden Sie bei Erstnennung die vollständige Paarform (Patienten und Patientinnen). Diese Form nutzen Sie auch, wenn Sie bestimmte Personen direkt ansprechen (Sie, die Leser und Leserinnen dieses Ratgebers). Die lange Form verstehe ich als Zeichen der Höflichkeit und des Respekts. Bei Folgenennungen dieser Personengruppen halte ich das Umschwenken auf eine platzsparende Kurzform mit Genderzeichen für möglich (siehe unten) – aber auch die Verwendung des generischen Maskulinums (Patienten), wenn Sie die Zielgruppe Ihres Textes als eher konservativ einschätzen.
    • Gerade im Hochschulkontext können Sie eine Kurzform mit Genderzeichen nutzen. In vielen Publikationen wird heute das Gender-Sternchen verwendet (Patient*innen). Ich empfehle eher den Gender-Doppelpunkt (Patient:innen): Dieses Zeichen „gilt als leser:innenfreundlicher als Sternchen oder Unterstrich“. Wichtig ist, beim einmal gewählten Sonderzeichen zu bleiben. Wenn Sie sich also in Ihrer Bachelor- oder Masterarbeit für den Doppelpunkt entschieden haben, sollten Sie parallel nicht noch den Gender-Gap oder das Gender-Sternchen verwenden.
    • Für Begriffe im Singular verwenden Sie entweder die männliche oder die weibliche Form. So kann zum Beispiel von einer Mitarbeiterin die Rede sein – aber genauso gut auch von einem Mitarbeiter, der eine Kundin (oder einen Kunden) berät. So wird deutlich, dass Sie sowohl männliche als auch weibliche Personen im Blick haben.
    • Nutzen Sie gängige neutrale Begriffe, zum Beispiel das Kollegium (statt Kolleginnen und Kollegen) oder die Lehrkraft (statt Lehrerinnen und Lehrer).
    • Auch gängige Partizipialformen wie die Studierenden oder Teilnehmenden sind möglich.
    • In zusammengesetzten Begriffen empfehle ich, nicht zu gendern. Es bleibt also bei einem Arztbesuch (nicht: Ärzt:innenbesuch). Auch Begriffe wie Patientenverfügung, Experteninterview oder Kundenservice sind meines Erachtens etabliert und sollten daher so stehen bleiben.
    • Auch Bezeichnungen für abstrakte Personengruppen sollten nicht gegendert werden, zum Beispiel die Träger einer Maßnahme oder die Akteure der Globalisierung.
    • Wie schon erwähnt können Sie gelegentlich auch das generische Maskulinum verwenden (Patienten), möglichst aber nicht an exponierten Stellen wie Überschriften oder bei erstmaliger Nennung in einem Kapitel.
    • An oberster Stelle steht die gute Lesbarkeit. Besser als der/die Ärzt*in, der/die seine/ihre Patient*in berät, ist zum Beispiel die Ärztin, die ihren Patienten berät. Denn auch hier wird die Intention, gendersensibel zu schreiben, deutlich.

    Meine Empfehlungen zur parallelen Verwendung verschiedener Genderformen könnten ungewöhnlich klingen. Steht nicht die Einheitlichkeit der Schreibweisen in einer wissenschaftlichen Arbeit an oberster Stelle? Meine Empfehlungen hingegen lassen es zu, dass in ein und demselben Text von den Patientinnen und Patienten, den Patient:innen und von der Patientin die Rede ist. Ist das nicht inkonsequent?

    Das kann man durchaus so sehen. Wenn Sie jedoch nur eine einzige Form des Genderns verwenden (zum Beispiel die vollständige Paarnennung), werden Sie immer wieder an einen Punkt geraten, an dem eine andere Form einfach besser geeignet wäre. Warum noch Studentinnen und Studenten schreiben, wo doch die Studierenden mittlerweile etabliert sind?

    Die Mischung verschiedener Möglichkeiten des Genderns in einem Text zeugt außerdem von einem unverkrampften Umgang mit dem Thema. Das empfinde ich gerade bei diesem Thema als sehr wohltuend: Sie gendern, aber zwanglos.

    Gern sehe ich Ihre Arbeit im Rahmen eines Korrekturlesens oder Lektorats durch. Dabei gebe ich Ihnen Tipps zum Umgang mit dem Gendern oder prüfe die von Ihnen gewählte Möglichkeit auf Konsistenz und Plausibilität.

      © Dr. Anette Nagel. Artikel zuletzt bearbeitet im Mai 2025.

      Nach oben scrollen