Vor einiger Zeit Kurzem lektorierte ich eine Masterarbeit, die über weite Strecken wie folgt formuliert war: „Daher ist festzuhalten, dass …. Außerdem lässt sich sagen, dass … Gemeinhin ist es so, dass … Jedoch ist es wichtig anzumerken, dass …“ Die Hauptsätze haben hier einen einleitenden, vorbereitenden Charakter, die inhaltliche Hauptaussage steht im Nebensatz („dass dies und das der Fall war“). Dies ist nicht nur ermüdend zu lesen, sondern hinterlässt auch einen unbefriedigenden Eindruck: Es wirkt, als ob die Studentin nicht richtig auf den Punkt kommen kann oder möchte, als ob sie sich scheut, die Dinge klar und deutlich im Hauptsatz zu benennen (vielleicht weil sie glaubt, sie könnten dadurch eine Gewichtung bekommen, die ihnen nicht zusteht). Stattdessen werden die Hauptaussagen lieber in einem Nebensatz untergebracht. Der Text wirkt dadurch wie unter Vorbehalt formuliert.
Dieser Blogeintrag widmet sich dem Thema Hauptsätze. Nicht nur für Prosatexte, sondern auch für wissenschaftliche Texte gilt die wichtige Regel: Hauptsätze sollten in einem Text die Hauptrolle spielen. Dies betonen so gut wie alle Stilratgeber. „Hauptsätze. Hauptsätze. Hauptsätze“, so beginnen die Ratschläge für einen guten Redner (1930) von Kurt Tucholsky. Ähnlich formulieren es Eduard Engel (Deutsche Stilkunst, 1911), Ludwig Reiners (Stilkunst, 2004 [1. Aufl. 1943]) oder Wolf Schneider (König der Sätze: Der Hauptsatz ist der älteste – und immer erste Wahl, DIE ZEIT 20/2012).
Dabei kann es nicht darum gehen, dass man möglichst nur Hauptsätze schreiben und auf Nebensätze weitgehend verzichten sollte. Vielmehr geht es darum, dass die Hauptaussage eines Satzes im Hauptsatz zu stehen hat. So formuliert es auch Reiners: „Die Grundregel des deutschen Satzbaus ist einfach: Jeder Hauptgedanke erfordert einen Hauptsatz“ (Stilkunst, S. 92). „Hauptsachen in Hauptsätze!“, so lautet auch die Überschrift des 14. Kapitels von Wolf Schneiders Buch Deutsch für Profis.
Das klingt banal – ist es aber nicht. Denn gerade in wissenschaftlichen Texten wird diese Regel sehr oft gebrochen, wie zum Beispiel in folgenden Sätzen: „Müller führt aus, dass X der Fall ist.“ – „Dreyer betont, dass Y zu beachten ist.“ – „Schulze verweist darauf, dass Z gegeben ist.“ Der Hauptsatz besteht hier aus der lapidaren Aussage, dass die Autoren etwas beschreiben oder ausführen. Die inhaltliche Aussage aber, auf die es meist ankommt, steht im Nebensatz („dass etwas der Fall ist“). Hier ist die Tatsache, dass die Autoren etwas ausgeführt haben, wichtiger als das, was sie gesagt haben.
Solche Satzkonstruktionen sind natürlich nicht falsch oder verboten. Wenn Sie zum Beispiel ein inhaltliches Detail klären und den Fokus darauf richten möchten, was welcher Autor dazu gesagt hat, dann kann eine Aneinanderreihung von Autorenmeinungen durchaus berechtigt sein. Meist steht jedoch die inhaltliche Aussage im Vordergrund. Und dann sollte man den Mut haben, diese auch in einem Hauptsatz unterzubringen.
Mit einer Umformulierung muss weder eine falsche Akzentsetzung noch eine (unzulässige) Verallgemeinerung verbunden sein. Denn wenn Sie nicht schreiben: „Müller führt aus, dass X der Fall ist“, sondern: „Nach Müller ist X der Fall“, dann wird auf diese Weise ebenso deutlich, dass dies nicht Ihre Ansicht ist, sondern die Müllers. Die anderen Satzbeispiele von oben könnten dann wie folgt lauten: „Dreyer betont Y und Schulze verweist auf Z.“
Noch besser ist, wenn Sie die unterschiedlichen Meinungen nicht nur nacheinander aufführen, sondern sie gegeneinander abwägen und gewichten, zum Beispiel so: „Nach Müller ist X der Fall. Dreyer bezeichnet dies als zu eng gefasst und betont vielmehr Y. Schulze schließt sich dem an, verweist aber zudem auf Z.“ So bereiten Sie die Basis, auf der Sie schließlich Ihre eigene Meinung wiedergeben können, zum Beispiel so: „Dies trifft die Sache meines Erachtens recht genau. Im weiteren Verlauf der Ausführungen wird untersucht, ob der Aspekt, den Schulze anführt, eine zusätzliche Erklärung für die hier zu untersuchende Fragestellung liefern kann.“ Denn Sie führen die Autorenmeinungen ja nicht als Selbstzweck an, sondern um daraus eine eigene Ansicht zu entwickeln.
Im oben genannten Fall der Masterarbeit kann die Studentin ihre Sätze zum Beispiel wie folgt ändern: „Daher ist festzuhalten, dass dies der Fall ist.“ wird zu: „Somit ist dies der Fall.“ „Außerdem lässt sich sagen, dass …“ wird zu „Außerdem ist …“ Sprachlich ist damit viel gewonnen: Die Sätze sind kürzer, knapper und präziser – dies werden Sie besonders dann merken, wenn Sie längere Passagen entsprechend umformuliert haben und dann noch einmal lesen.
Beim Lektorat wissenschaftlicher Texte achte ich auf diese Aspekte. In der separaten Dokumentation begründe ich mein Vorgehen und veranschauliche dies anhand konkreter Beispiele aus Ihrer Arbeit. So wird das Lektorat Ihrer Bachelor-, Masterarbeit oder Dissertation für Sie nachvollziehbar und verständlich.
© Dr. Anette Nagel. Artikel erschienen im September 2016, zuletzt bearbeitet im Mai 2023.