Gedankengut fremder Autoren, das Sie in Ihrer Arbeit verwenden, muss als solches kenntlich gemacht und belegt werden – das ist eine der wichtigsten Regeln wissenschaftlichen Arbeitens. Zitierratgeber machen aber nur selten Angaben dazu, welche Aussagen Sie ohne Beleg anführen dürfen und welche Sie belegen müssen. Gerade bei diesem Punkt kommen Studierende leicht ins Straucheln. Dieser Beitrag beschäftigt sich damit, was in puncto Zitieren und Belegen erlaubt ist und was nicht.
Um die folgenden Ausführungen zu konkretisieren, werde ich ein Beispiel mit fiktiven Inhalten und Autoren verwenden: Gehen wir davon aus, Sie schreiben eine Dissertation zum Thema tiergestützte Pädagogik und möchten untersuchen, inwieweit sich speziell Pudel für den Einsatz in Kindertagesstätten eignen. Zu Ihrem Thema haben Sie zwei (ebenfalls fiktive) Quellen gefunden: das Buch von Marlies Müller: Der Einsatz von Hunden in Kindergärten unter besonderer Berücksichtigung des Pudels (Köln 1950) und die Abhandlung von Dennis Dreyer: Pudel in Kitas – Möglichkeiten und Grenzen der tiergestützten Pädagogik (München 2015). Wie können, sollten oder müssen Sie diese Quellen in Ihrer Arbeit angeben, wenn Sie daraus zitieren möchten?
Vorbemerkung: Zur Dramaturgie einer wissenschaftlichen Arbeit
Vorab einige Bemerkungen zu einem Aspekt, der Ihnen hier vielleicht ungewöhnlich vorkommt, den ich im Rahmen des Lektorats aber immer wieder als wichtig erkenne und der nur selten in Ratgebern erwähnt wird: Jede Arbeit folgt einer gewissen Dramaturgie. Damit ist nicht der rote Faden gemeint, der sich durch die Arbeit ziehen sollte, sondern die Richtung der Darstellung. In der Regel gehen die Ausführungen zunächst vom Allgemeinen zum Besonderen und gegen Ende der Arbeit wieder zurück zum Allgemeinen. Das heißt konkret:
In der Einleitung werden Sie allgemein den Sachverhalt darstellen, um den es gehen wird: Sie geben eine Einführung ins Thema, zeigen die Forschungslücke auf, die Sie mit Ihrer Arbeit schließen möchten, und beschreiben den Aufbau der Arbeit. Konkret werden Sie – dem Beispiel folgend – vielleicht darlegen, dass Hunde schon lange in der tiergestützten Pädagogik eingesetzt werden, dass aus Ihrer Sicht aber noch nicht untersucht wurde, inwiefern Pudel hierfür geeignet sein könnten. Diesem Thema möchten Sie sich in Ihrer Arbeit widmen.
Relativ allgemein gehalten sind auch die einleitenden Bemerkungen am Beginn jedes Hauptkapitels: Sie werden nicht direkt nach der Hauptüberschrift schon ins Thema einsteigen, sondern zunächst darauf verweisen, dass Sie nun die Ergebnisse des vorigen Kapitels aufnehmen und weiterführen oder dass Sie sich nun, wie in der Einleitung erwähnt, speziell mit einem bestimmten Thema beschäftigen werden. Erst danach steigen Sie in die inhaltliche Ausarbeitung ein.
Auch die Hauptkapitel als solche orientieren sich an dieser Dramaturgie, an der Richtung vom Allgemeinen zum Besonderen: Das erste Hauptkapitel beschäftigt sich mit der tiergestützten Pädagogik insgesamt, das folgende mit dem Einsatz von Hunden, und das nächste Kapitel nimmt eine einzelne Hunderasse – die Pudel – unter die Lupe. Erst im Schlusskapitel werden Sie die Fokussierung auf eine Hunderasse wieder aufgeben und von einer höheren Warte aus Ihre Ergebnisse zusammenfassend betrachten und in die aktuelle Forschung einordnen.
Wo zitiere ich und wie viel?
Von den Ausführungen zur Dramaturgie einer Arbeit lässt sich nun eine Brücke zu der Frage schlagen, wo bevorzugt Zitate in einer Arbeit platziert werden sollten. In der Einleitung sind die Ausführungen noch recht allgemein; Sie formulieren in eigenen Worten, worum es in Ihrer Arbeit gehen wird. Wohl werden Sie in groben Zügen Ihre Arbeit in den Forschungskontext einordnen, aber noch nicht ins Detail gehen. Ausführliche wörtliche Zitate haben hier noch keinen Platz.
Auf die Einleitung folgt meist eine geschichtliche Einordnung des Themas. Hier können Sie zum Beispiel schreiben: Die Anfänge der tiergestützten Pädagogik fallen in das späte 19. Jahrhundert (vgl. Dreyer 2015: 40). Dann folgen über lange Strecken Ausführungen zur Entwicklung der tiergestützten Pädagogik, die Sie vielleicht durchweg aus Dreyers Abhandlung wiedergeben.
Im Laufe der folgenden Kapitel werden die Ausführungen dann immer detaillierter und die Zitatdichte immer höher, weil Sie in kurzer Abfolge unterschiedliche Meinungen aus der Literatur gegenüberstellen. Kaum Zitate aus der Sekundärliteratur hingegen gibt es meist im empirischen Teil einer Arbeit, der auf den theoretischen Teil folgt: Sie haben Mitarbeiterinnen einer Kindertagesstätte nach ihren Erfahrungen mit dem Einsatz von Pudeln befragt. In dem Kapitel, in dem Sie die Ergebnisse der Befragung vorstellen, kommen neben den Interviewausschnitten kaum Zitate aus der Literatur vor.
Dies ändert sich in der darauf folgenden Diskussion, in der Sie Ihre Ergebnisse in einen Zusammenhang mit Ergebnissen anderer Studien bringen. Hier werden Sie Ergebnisse und Ansichten gegenüberstellen, bewerten und relativieren – ein Beispiel zeigt die Abbildung oben.
Im abschließenden Fazit und Ausblick ist die Auseinandersetzung mit der Literatur beendet; hier zeigen Sie eventuelle Grenzen Ihrer Untersuchung auf und verweisen auf zukünftigen Forschungsbedarf zum Thema. Zitate haben hier keinen Platz mehr, da sie hier nur wieder eine neue Diskussion eröffnen würden.
Für meine Kunden und Kundinnen vereinheitliche ich die Zitation in wissenschaftlichen Arbeiten und prüfe sie auf Einheitlichkeit (Korrekturlesen und Lektorat).
© Dr. Anette Nagel. Artikel erschienen im Juni 2016, zuletzt bearbeitet im Mai 2023.